Outfits für die Künstlerinnen-Barbie :: Lee Bontecou


Lee Bontecou (*1931)

Eigenwillig, großformatig, hypnotisierend, einsaugend: Die Wandobjekte Bonteous zwischen Malerei und Objekt.

Mich interessiert wie immer die Verbindung von Stoff – altes Sackleinen in getragenen Farben – und Metall. Eine Frau, die schweißt. Eine Frau, die für sich einen ganz eigenen Ausdrucksweg gefunden hat und das bereits in den frühen 1960er Jahren, das gesteht ihr auch Donald Judd als Kunstkritiker zu, der ab 1960 wiederholt über ihre Arbeiten schreibt. (Judd in Smith 2003, 196ff)

Was soll wohl dieses Spekulieren allen voran Donald Judd als Kritiker zwischen einerseits Blumen- und Naturbezügen, dann sexuellen Fanatsien von aufgerissenen Mündern oder gar monströsen Vagnina dentatas und schließlich technisch-maschinellen, Raumfahrtschiffe-im Flug-Assoziationen? Ja, als junge Künstlerin der Sputnik-Ära war sie eine Weile fasziniert von Raumfahrt, als Kind fasziniert von Flugzeugen, ihre Mutter hatte während des Weltkriegs Radiotransmitter für den Unterwassereinsatz verkabelt. Ihr Studio in New York ist so gelegen, dass ihr allerlei Abfallmaterial wie Metallsplitter und -bolzen, alte Armeeaustattung bis hin zu Stahlhelmen oder auch ein ausgedientes Fließband, bezeichnenderweise aus einer Wäscherei, zugänglich wird. Und ja, sie ist wütend auf die Weltpolitik der Zeit, das Kriegsgeschehen in Vietnam. die gewalttätigen Konflikte in Afrika, über das sie bei der Arbeit im Radio hört. Auf der Suche nach dem tiefsten Schwarz, einem Schwarz zum Versinken, zeichnet sie mit Ruß auf Leinwand, Ruß, den sie mit dem Schweißbrenner direkt auf Leinwand aufbringt. Diese Schwärze fasziniert mich auch in den großformatigen Wandobjekten, gleichwohl ich sie in dem Bontecou-Kasten durch das Portrait der Künstlerin bei der Arbeit ersetzt habe.

Ich kann einfach eintauchen die tiefe Schwärze, die sie offenbar experimentell für sich gefunden hat und mich dann wieder freuen an den vielen einzelenen groben handgezogenen Verbindungsstichen, die den dicken Leinenstoff in die Metallverstrebungen spannen. Da ist so viel und so lange genussvoll zu schauen, wie Bontecou sich dem Erwerken gewidmet hat. Die Zeit, die Hingabe, die Überzeugung ist zu sprüren.

*durbahn entdeckte Bontecou erst in einer ansonsten eher faden Künstlerinnensammelausstellung in Centre Pompidou auf einer unserer Paris-Reisen. Ich war verwundert, dass sie Bontecou nicht kannte. Doch wirklich war Bontecou auf den diversen Biennalen und auf der documenta III als eine der wenigen Frauen vertreten und es hängen Werke von Bontecou in bedeutenden Sammlungen weltweit, aber eine richtige Retrospektive hat es in Europa erst 2017 in Den Haag gegeben.

Bezeichnend ist entsprechend auch der deutsche Wikipedia-Eintrag (Stand Dez. 2020), der ihre frühen Wandreliefs als "aggressiv" bezeichnet – als hätten Frauen nicht mit Metall, , arbeiten dürfen. Noch dazu attestiert ihr Wikipedia einen Karriereknick zeitgleich mit der Geburt ihrer Tochter, dem Umzug aufs Land in die Berge von Pennsylvania und ihrem Ausdruckswechsel zu eher floralen und von Fischen inspirierten transparenten Kunststoffobjekten. Selbst in Rosalind Kraus "Passages in modern Sculpture" von 1977 wird Bontecou nicht mehr erwähnt. Erst werden ihre Wandobjekte malerischer, farbiger. Die Objekte aus den 1980er und 1990er Jahren sind sehr viel filigraner und kleinformatig, aus edleren Materialien wie Balsaholz und Seide, lösen sich schließlich von der Wand, doch das Leitmotiv der schwarzen Öffnung, die augenähnlich die Aufmerksamkeit auf sich zieht, bleibt. Außerdem weisen gerade ihre Fischskulpturen gefährlich scharfe Zahnreihen auf und eine der Blumen trägt eine Gasmaske.

In den USA richteten das Hammer Museum, Los Angeles und dem MoMA in Chicago, 2003 eine Retrospektive aus. Diese wurde auch im MoMA in New York gezeigt, wo Bontecou immerhin geboren ist und mehrere Jahrzehnte am Brooklyn College unterrichtet hat.

 

 

Literatur:

Lee Bontecou, A Retrospective
Elizabeth A. T. Smith
2003, Los Angeles

Lee Bontecou.
Deutsche Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin, Städtisches Schlossmuseum Schloss Morsbroich Leverkusen, 1968