Outfits für die Künstlerinnen-Barbie :: Niki de Saint Phalle


Niki de Saint Phalle (1930-2002)

Auch Saint Phalle war unter meinen ersten Zehn. Aber sie verdient bei mir eine doppelte Würdigung und hat zwei Kästen bekommen.

Ich wusste natürlich um die Nanas und um "Hon" im Stockholmer Moderna Museet, zunächst jedoch nicht, dass sie sich nicht etwa einen Künstlerinnennamen gesucht hatte, sondern wider ihrer Kindheitstraumata und frühen Ehe weiter den Namen ihres Vaters führte. Dennoch und deswegen entschied ich mich für ihre frühen, selbstbefreienden Schießbilder. Zum Glück fand sich im Sprengel Museum ein langes schmales, dass maßstabsgetreu einigermaßen in mein 30 x 30 x 5 cm -Kasten passte. Die Schießbilder bedeuteten für Niki anfag der 1960er Jahre ihren persönlichen und in der Folge auch internationalen Durchbruch als Künstlerin. Sie changieren zwischen Malerei, Happening und Therapie. Niki de Saint-Phalle, hatte früh geheiratet und schnell Rollenkonflikte entwickelt, wegen derer sie sich kurzfristig in klassische therapeutische Behandlung begab. Im künstlerischen Ausdruck fand sie ihren eigenen Heilungsweg. Die Schießbilder waren für sie eine Form, den verdrängten Missbrauch durch den Vater aus ihrer Kindheit zu bearbeiten. Vor und mit Publikum schoss sie auf mit Farbbeuteln präparierte und allerlei Gegenständen mit Gips überzogenene Leinwände. Das Gewehr lieh sie zumächst von einem Jahrmarktschießbudenbetreiber.

Niki de Saint Phale war zu dieser Zeit bereits mit Jean Tinguely in Junst- und Lebenspartnerschaft. Sie haben viele Ideen gemeinsam entwickelt und gestaltet, auch "Hon" und den Giardini dei Tarrochi.

Meinen Kasten zu Saint Phalles Tarot-Garten (2020) habe ich lange geplant. Auslöser war Hannah Gagels Buch "So viel Energie" über Künstlerinnen in der dritten Lebensphase, in dem sich ein sehr schönes Foto der älteren Niki de Saint Phalle findet.

Wir haben den Tarot-Garten in der Toscana an einem sonnigen 1. Mai während eines ansonsten nasskalten Romaufenthalts besucht. Rom selbst war rappelvoll, weil Papst Johannes Paul II gerade heilig gesprochen wurde. Noch am 30. April konnten uns die Nationalmuseen nicht zuverlässig Auskunft geben, ob sie am 1. Mai geöffnet sein würden. Beim Giardino Dei Tarocchi aber hatte ich das zuvor erfragt. Und so kam es, dass wir in einem der zweistündig fahrenden Regionalzügen in den kleinen Ort Capalbio ratterten. Dessen Bahnhof lag etwas außerhalb. Von Bussen oder Taxen an einem 1. Mai keine Spur. Aber aus demselben Zug war eine Gruppe Studentinnen auf Landpartie ausgestiegen, die für uns die Kommunikation in der Bahnhofsbar übernahmen und uns einen der privaten Tarotgarten-Shuttle organisierten. Eine Weile später preschte ein mittlerer SUV vor, der Fahrer riss telefonierend von innen sie hintere Tür auf und gestikulierte uns einzusteigen. In hoher Geschwindigkeit ging es auf eine Landstraße, nach einer Weile mit wenigen Worten die Frage "Giardino Dei Tarocchi" durch den Rückspiegel. Auf unser heftiges Nicken noch die Frage, wann wohl der Zug zurück ginge und sogleich eine Uhrzeit, zu der er uns auch wieder abholen würde.

Eine Viertelstunde später standen wir auf dem Parkplatz in einer schier endlosen Einlassschlange, gemeinsam mit gefühltermaßen allen freundlichen Römer*innen, die diesen Sonnentag offenbar ebenso für ihren Ausflug zu Niki auserkoren hatten.Im Garten selbst zu unserer großen Verklärung kaum ein laut zu hören von den vielen Menschen, vielmehr genussvolles, freudig-kontempatives Lächeln. ein wahrhaft magischer Ort.

Niki de Saint Phalle selbst war überzeugt, dass der Garten die Kraft ausgestrahlt, den Bau eines in Sichtweite an der Küste geplanten Atomkraftwerks zu verhindern. Sie hatte das Grundstück von Freunden Mitte der 1970er Jahre für ihr Vorhaben bekommen und 20 Jahre an dem Park gebaut. Zeitweise hat sie vor Ort in der "Kaiserin" ihr Atelier bezogen und in deren zentralen Halle am großen Spiegeltisch die morgendlichen Besprechungen abgehalten. Sie hat großen Wert darauf gelegt, dass viele der Mitarbeitenden aus der Region kamen und ihr traditionelles regionales Wissen in der Keramik- und Glasverarbeitung einbrachten.